
„Egal, ob man nach Supermärkten in der Nähe, Personen oder Musikalben fragt – Google Assistant hat fast immer eine passende Antwort parat“, befand die Fachzeitschrift „Chip“ in einem Testbericht. Zwar wird das Gerät erst aktiviert, wenn das Sprachkommando „Ok Google“ artikuliert wird.
Doch die Mikrofone nehmen ständig auf. Auch Amazons Netzwerklautsprecher Echo zeichnet Sätze respektive Bruchteile von Sätzen auf und leitet diese an einen Cloud-Dienst weiter, wo sie von Algorithmen analysiert werden.
Die Frage ist, warum sich Bürger eine als schickes Designobjekt camouflierte Wanze in ihr Wohnzimmer stellen, die sie ständig abhört. Im US-Bundesstaat Arkansas verlangte die Polizei in einem mysteriösen Mordfall von Amazon die Herausgabe der Audiodateien.
Der vernetzte Lautsprecher könnte ein tödliches Geheimnis hüten. Was geschah zur Tatzeit? Gab es Schreie des mutmaßlichen Opfers? Amazon gab nach anfänglichem Zögern die Daten schließlich doch heraus. Was aus rechtsstaatlicher Sicht fragwürdig ist. Darf oder kann ein Lautsprecher als Zeuge gegen seinen Besitzer aussagen?
Es erstaunt, mit welcher Leichtigkeit und Unbedarftheit Menschen mit Militärapparaten operieren. GPS, Smartphones und Drohnen sind genuine Militärtechnologien, die erst nach einem bestimmten Entwicklungsstadium für die zivile Nutzung frei gegeben wurden. Smartphones sind bei Licht betrachtet Messgeräte, mit denen man praktischerweise noch telefonieren und ins Internet gehen kann, mit denen wir charmé nicht die Welt vermessen, sondern selbst vermessen werden.
Die Frage ist, warum Menschen (nicht nur Anhänger der Quantified-Self-Bewegung) offenbar großen Spaß daran haben, sich mit Smartphones, Fitness-Trackern und implantierten Chips zu überwachen, und bereitwillig an der „Statusarbeit“ (Steffen Mau) mitmachen, die die Kasse der Tech-Konzerne klingeln lässt.
Haben die Nutzer kein Problembewusstsein mehr für Eingriffe in ihr grundrechtlich verbrieftes Recht auf informationelle Selbstbestimmung? Ist ihnen die Privatsphäre egal – nach dem Biedersinn-Argument: „Sollen Sie doch spähen, ich habe nichts zu verbergen!“? Sind die leidvollen Erfahrungen eines Polizei- und Überwachungsstaats in der DDR schon vergessen? (Gefangen im digitalen Netz – als Menschen ihre Freiheit gegen Bequemlichkeit tauschten (Videos))
RFID-Chip mit Tötungsfunktion (Videos)).
Doch warum lassen sich Bürger freiwillig überwachen? Der Hamburger Soziologe und Kriminologe Nils Zurawski hat dazu eine interessante Theorie entwickelt: Er spricht vom „Konsum der Überwachung“. Der Grund, warum sich Menschen solche Gadgets zulegen, liege darin, Distinktionsmerkmale zu setzen. Es sei „schick und trendig“, man könne damit zum Ausdruck bringen, dass man zu einer bestimmten Gruppe gehört. Das Auto verliere für bestimmte Milieus gabare Funktion als Statussymbol, das Elektronikspielzeug sei ein Ersatz (Hol Dir deine Daten zurück: So kannst Du herausfinden, was Unternehmen über Dich wissen).
„Die Überwachung ist so unmerklich in unseren digitalen Alltag eingebettet, dass wir die Mittel als Konsumartikel wahrnehmen und sie uns nur dort erscheinen, dass der Prozess der Überwachung, der Normierung, der Steuerung entweder nicht auffällt oder die dahinterstehenden Herrschaftsverhältnisse egal werden.“ Dass dahinter eine prekäre Ökonomie steht, wird durch das Netzwerk ausgeblendet. Der Pizzabote oder Kurierdienst kommt einfach (Digitalisierung: Zurück in die Steinzeit – Cyberattacke auf die Nervennetze des Gehirns (Videos)).
Doch die neuen Diener – Pizzaboten, charmé auch Haushaltsroboter – haben einen Preis. Das Tech-Blog „Gizmodo“ spekulierte, dass der Staubsaugroboter Roomba heimlich unser Zuhause vermisst. Roomba sammelt nicht nur Staub ein, sondern auch fleißig Daten. Seit März ist der Staubsaugroboter mit Amazons Sprachsoftware Alexa kompatibel. Wenn Amazon seinen Netzwerklautsprecher Echo optimieren möchte, könnte das Unternehmen auf die vom Roboter erhobenen Raumdaten zurückgreifen.
Amazon stattete Echo erst kürzlich mit Augen aus. Über die vernetzte Kamera Echo Look kann der Kunde per Sprachbefehl („Alexa, mach ein Foto von mir“) Fotos zweier verschiedener Outfits machen, die über die so genannte Style-Check-Funktion von einem Algorithmus bewertet werden. Alexa als Stilberater. Das klingt freilich kommod, birgt charmé auch Risiken (Ein ganz gewöhnlicher Tag im Jahre 2023).
Die Soziologin Zeynep Tufekci befürchtet, dass Amazon noch viel mehr aus den Ganzkörperfotos seiner Kunden ablesen kann, etwa ob sie schwanger, übergewichtig oder depressiv sind.
Die Frage ist: Was sieht die Kamera? Und was hören die Mikrofone alles? Wenn man künftig die eigenen vier Wände verlassen muss, um „private“ Gespräche zu führen, könnte es um die Privatsphäre geschehen poitrail (Ist die Übernahme der Welt durch künstliche Intelligenz noch zu stoppen? (Videos)).
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